Brüder und er verzieh ihnen. Aus kindlicher Sicht (Buch und Texte von Tim Rice) vermittelt eine Erzählerin die Story, die weniger „biblisch“, als eher knallbunt und durchaus auch parodistisch daher kommt. Das gilt gleichermaßen auch für die Musik, die sich gar vieler Stile bedient. Ein musikali- scher Mix, der von Country-Balla- den über Chansons bis zu Rock’n’Roll reicht und der sich nicht scheut, gelegentlich bekann- te Musiker wie Harry Belafonte oder Elvis Presley insgeheim wie- der aufleben zu lassen. Der be- kannteste Song ist wohl „Any Dream Will Do“. Er erscheint gleich zu Beginn, von Joseph ge- sungen, in Rückblende die eigent- liche Handlung einleitend und auch später noch einmal, im Du- ett zwischen Joseph und der Er- zählerin, das große Finale einlei- tend. Aufbau des Arrangements von Michael Sweeny Die ersten zwölf Takte leiten ganz unbekümmert ins Geschehen ein. Nach vier Takten harmonischen Vorspiels, dünn, aber mit klarer Klangvorstellung instrumentiert im hohen Holz, präsentiert das Horn das Thema von „Jacob And Sons“ vorgreifend und in liedhaf- ter Schlichtheit. Ab Takt 17, dem vier Takte in „Opener-Manier“ vo- rausgingen, folgt der fanfarenar- tige Einsatz des Themas „boldly“ (kühn, mutig, frech) und führt zur ersten wirklichen Liedpräsentati- on im rockigen Stil. Im „mf“ der Mittelstimmen, sparsam begleitet von Klarinettenakkorden, baut sich, in allen Belangen steigernd, der Song auf und endet ritardie- rend in einer Fermate. Diese gibt nicht nur Zeit zum in- nenhalten, sie stoppt das rockige Element durch plötzlichen Stau und aus dem Ruhepunkt heraus wandelt sich der Groove abrupt von Duolen- in Triolenfeeling. Im leichten 4erBeat bahnt sich über zwei Takte Rhythmus und vier Tak- te harmonischer Einleitung im sanften Swing-Shuffle „Any Dream will Do“ seinen Weg. Ab Takt 57 zunächst als Trompetensolo, vom Holz sparsam begleitet, ab Takt 65 dann umgekehrt und voller in- strumentiert. In Takt 73 wird der intensivere b-Teil des Liedes er- reicht. Die Wiederaufnahme des a-Teils im vollen Orchestertutti adelt dann eine Modulation, die absolut wirkungsvoll, wie auch kli- scheehaft, durchaus einen Zwi- schenhöhepunkt erarbeitet. „Menacing“ (Gefahr signalisie- rend) leitet erneut ein Fanfaren- motiv über zum Rock-Shuffle „Song Of The King (Seven Fat Cows)“. Grooviges Blech bereitet den Saxophonen den Weg, die ab Takt 104 stiltypisch die Szene rocken. Ab Takt 116 geschieht das dialogisierend mit den Trom- peten. Ein Half-Time-Swing been- det, triolisch dominiert, in fast klassisch, verruchter Bar-Atmo- sphäre, den Titel und lässt das Orchester im Tutti und im ff ein durchaus entspannendes (instru- mentales) „Oh Yeah“ ausrufen. Romantisch wird es ab Takt 136. Nach vier Takten beruhigend wirkender Akkorde fließt im sanf- ten Dreiertakt die Melodie von „Close Every Door“, einer Ballade, quasi ausschließlich aus dem Kla- rinettenregister. Ab Takt 148 über- nehmen mild Querflöten und Oboe, ebenso mild begleitet von unaufdringlichen Klarinetten. Blech und Mittelstimmen gestal- ten mit Effekt den Beginn der Schlussgruppe, die aber betont sanft wieder im Klarinetten-Unis ausklingt. Aus dem verhallenden Endton erwächst „moderately fast“, de- zent aber in neuem treibenden Groove (sechszehntel orientiert), die Einleitung des gospelange- hauchten „Go Go Go Joseph“, dann im Achtelgroove (und mit deutlichem „backbeat“). Die sechszehn Takte werden quasi ge- teilt von einem burlesque anmu- tendem 2/4 Takt, gefolgt von ei- ner klangsteigernden Modulation. Ab Takt 184 werden Instrumenta- tion und Dynamik dünner, das Tamburin im 16tel-Groove sorgt aber auffällig für „Energie“. Ein Kopfmotiv zieht dialogisierend (Trompeten, Saxophone, Holz) sei- ne Bahnen und mündet ritardie- rend in die Schlussgruppe, einge- leitet von einem Fanfarenmotiv, das dann zur Coda auswächst. Marcus Graf über seine Version Marcus Graf, Orgelbauer, studier- ter Trompeter und Dirigent, Stadt- kapellmeister und Musiklehrer in Schongau hat sich ebenfalls mit der Musik zum Musical „Joseph“ beschäftigt. Er wählte im Prinzip die gleichen Songs aus, tauschte aber „Close Every Door“ gegen „Poor Pharao“, wählte z. T. andere Tonarten, gewichtete die Länge der Songs anders und instrumen- tierte mit anderen Schwerpunk- ten. „Meine erste Motivation war, für ein Kirchenkonzert ein peppiges, modernes, rockiges Abschluss- Fachberichte stück zu finden, natürlich mit bib- lischen Hintergrund. So passte das Musical „Joseph“ perfekt zum Programm. Die Besetzung sollte mit Tenorhorn und Bariton sein, die Trompeten sollten strah- len und im Rahmen einer guten Mittelstufenkapelle auch nach über einer Stunde Konzert gut spielen und intonieren können. Das bekannte „Any Dream Will Do” sollte nicht zu kurz kommen und der Schluss sollte kraftvoll sein, da das Werk das Konzert be- enden würde. Mir war auch wichtig, jeder Mu- sikerin und jedem Musiker lohnen- de Aufgaben zu stellen. Die Instru- mentierung sollte Anreize für alle beinhalten und keine Unterforde- rung aufkommen lassen. Jeder sollte mit einer gewissen pädago- gischen Herausforderung seinen Part gut spielen können und da- mit das Stück auch mit Freude spielen wollen. Dazu beschloss ich, Artikulationen und Rhythmen eng der Gesangsversion der deut- schen CD-Aufnahme anzupassen, denn die war die Hörprobe für die Musiker, um ihnen das Stück, den Text und die gesamte Geschichte näher zu bringen. In den Proben konnte ich somit immer wieder Brücken zur Aufnahme schlagen. Mein Ziel war es, ähnlich wie die Musicaldarsteller zu „spielen“ und „aufzuspielen“, die Bläser, quasi durch das Instrument sin- gend, in die Lage zu versetzten, eine lebendige Instrumentalversi- on abzubilden.“ Fazit Michael Sweeny liefert ein klassi- sches Grade 3-Arrangement ab, welches nicht nur funktioniert, 11