Fachberichte Renold Quade crescendo … aus dem Notenschrank „Winter Holiday“ – ein Medley von James Swearingen Gelegentlich braucht der Mensch auch einmal et- was „Leichtes“, etwas „Gefälliges“, etwas, dass geeig- net ist, ein freudiges Lächeln ohne lange Umschweife ins Ge- sicht zu zaubern. Die Weihnachtszeit, mit ihrer breiten Mischung aus religiösen, jahreszeitlichen, romantischen, brauchtumspflegerischen und auch kommerziellen Ansätzen bie- tet hier ein weites und dankbares Feld. Und die Musik ist natürlich mittendrin. Warum also dann nicht auch einmal mit in einem pfiffigen Arrangement von unter- haltenden Winterliedern zur Weih- nachtszeit mit einem Blasorches- ter den Menschen ein freudiges Lächeln ins Gesicht musizieren. „Winter Holiday“ verspricht nun einerseits „winterliches“ und ver- weist aber zudem auch auf „Holi- day“. „Holiday“ ist in diesem Zu- sammenhang übrigens nicht nur ganz allgemein mit „Ferien“ zu übersetzen. Im amerikanisch-eng- lischen Sprachgebrauch wird hier ein ganz bestimmter Zeitraum be- schrieben, der sich von Thanksgi- ving (Erntedank) über Weihnach- ten und darüber hinaus ins Neue Jahr hin erstreckt. Eine Zeit, in der die Menschen weltweit gerne glücklich sind und die sie gerne im Kreis der Lieben begehen. Die allgemein positive Stim- mung stützend und unterstrei- chend, beobachtet man im be- schriebenen Zeitraum von je her auch ein gesteigertes Bedürfnis sich zu beschenken. Das unter- stützt der Handel natürlich sehr gerne und entwickelt dazu speziel- le „Merchandising-Phänomene“. Die Geschäftswelt nutz dafür den Begriff „Christmas Creep“. Das beginnt bei Dekorationen aller Or- ten und schlägt sich auch in einer Vielzahl von Unterhaltungsange- boten nieder. Und die Musikindus- trie ist wieder mittendrin. Somit ist es nicht weiter er- staunlich, dass sich auch in un- seren Breiten z. B. musikalische amerikanische Weihnachts-Stan- dards der 30ger bis 50ger Jahre zur heimischen „Tradition“ des Weihnachtsfestes dazugesellt ha- ben. So weiß z. B. die ASCAP, die „American Society of Composers, Authors and Publishers“ 2016 zu berichten, dass beispielsweise „Santa Claus Is Coming To Town“, geschrieben 1934 von Fred Coots und Haven Gillespie, im gleichen Jahr live von Eddie Cantor im Ra- dio aufgeführt, 1935 auch von Tommy Dorsey eingespielt, später, z. B. 1948 von Frank Sinatra oder auch 1975 von Bruce Springs- teen interpretiert, dass weltweit wohl meist gespielte Weihnachts- lied der letzten 50 Jahre war. Die Idee Auch wenn „Santa Claus“ nun ge- rade nicht Teil dieses Medleys ist, schlagen die zitierten „Let It Snow“, „Winter Wonderland“ und „Frosty The Snowman“ aber defi- nitiv in dieselbe Kerbe. Diese „Ho- liday-Klassiker“ der amerikani- schen Popularmusik vermitteln fröhliche Winterstimmung, ganz im Sinne der Feste rund um die Jahreswende. Die meist leicht swingenden Melodien vermitteln unkompliziert und locker einfach nur Winterfreuden und damit ver- bunden auch Märchenphantasien. Der Arrangeur James Swearingen wurde am 26.09.1947 in Dayton, Ohio ge- boren. Seine Ausbildung erhielt er zunächst an der Bowling Green State University und später an der Ohio State University. Er wurde im Anschluss sehr schnell zu einer kreativen und treibenden Kraft in der Szene der amerikanischen High School Bands. Zu Beginn komponierte er noch ganz lokal und eher gezielt für seine Schüler und für sein konkretes Umfeld. Er erkannte dabei, dass seine klei- nen Kompositionen seine Schütz- linge nicht nur beim Erlernen ihres Instrumentes unterstützten, son- dern dass diese sie auch ermu- tigten und motivierten, die Welt der Musik weiter zu entdecken. Swearingens Werke für die Blä- serwelt schöpfen in vieler Hinsicht bewusst aus populären Mustern, die seinen Schülern aus dem täg- lichen Radiokonsum nicht ganz unbekannt waren. Seine Kompo- sitionen spielen gerne und wohl dosiert mit vielen populären sti- listischen Fassetten. Fassetten, die sowohl handwerklich solide, mit Augenmaß und gleichwohl auch mit Effekt im Bläsergewand von der Zielgruppe umgesetzt wer- den können. In Zusammenarbeit mit dem Verlag Barnehouse griffen seine Ideen bald auch überregional. Er durchdachte in seinem Schaffen ganz bewusste Klassifi- zierungen nach Schwierigkeitsgra- den. Beginnend mit „easy“ (für junge Orchester, die etwa ein Jahr mit ihrem Instrument vertraut sind) über „medium easy“ (Or- chester im zweiten und dritten Jahr) bis hin zu zwei Kategorien von „medium“, die Orchester mit mittleren und mittel-schweren Auf- gaben betrauten. Die Länge sei- ner Werke, auch die seiner an- spruchsvolleren, überschreitet sel- ten sechs Minuten. Nach langjähriger und erfolgrei- cher Arbeit in der Instrumentalpä- dagogik, wurde er zum Direktor der Abteilung für Instrumentalmu- sik und Blasorchester an öffent- lichen Schulen in Grove City (Co- lumbus/Ohio) ernannt. Heute trägt er den Titel „Professor Eme- ritus“ der Capital University of Co- lumbus. Gastdirigate und Juroren- tätigkeiten führten ihn neben Zie- len in den Vereinigten Staaten und Kanada auch nach Australien, Asien und Europa. Sein Oevre um- fasst wohl weit über 600 Werke, darunter rund 100 Auftragswerke, und viele Kompositionen, die für Wettbewerbe und Festivals gelis- tet wurden. Er erhielt mehrere AS- CAP-Auszeichnungen und einen bedeutenden und bunten Strauß von Ehrungen und Awards der amerikanischen Musikpädagogik. Der Aufbau Im eher festlichen maestoso be- ginnt das Arrangement mit einem Zitat des Schlussmotivs von „Let It Snow“, bevor es sich, „Light und Jazzy“, deutlich im Tempo an- gezogen, in eine kurze, zweitaktig swingende Einleitung auf den Weg macht. Let It Snow! Let It Snow! Let It Snow! „Auch wenn das Wetter frostig und stürmisch ist, bei uns zu Hau- se ist es warm, Popcorn ploppt in der Pfanne und sanftes Licht, ein Kuss und deine Umarmung wär- men. Was soll´s, auch wenn ich nun gehen muss, wir lieben uns, auch wenn es schneit, wenn es schneit, wenn es schneit.“ Diese zugegeben recht freie Zusammen- fassung des Liedtextes gibt die Botschaft des Liedes aber durch- aus treffend wieder. Sammy Cahn (Text) und Jule Styne (Musik) schrieben 1945 dieses Winterlied, ganz im weih- nachtlichen Sinne, auch wenn der Text nicht explizit auf Weihnachten hinweist. Natürlich im sonnigen kalifornischen Hollywood, dem Vernehmen nach, in den heißes- ten Sommerstunden des Jahres. Vaughn Monroe war der erste In- terpret, unzählige weitere folgten. Über 160 Versionen sind im Jaz- zumfeld angesiedelt, allen voran die von Dean Martin vom August 1959. Michael Bublé brachte dem gesamten (Pop-)Swing- Genre in den frühen 2000 Jahren be- achtlichen Auftrieb und viele zo- gen nach, nicht zuletzt auch Rob- bie Williams. Sicherlich auch ein Grund für das in Europa erstaun- liche Revival vieler (besonders auch der weihnachtlichen) Aufnah- men von Frank Sinatra und Dean Martin gerade in den letzten Jah- ren. Dean Martin war übrigens 78 Jahre alt, als er am 25. Dezember 1995 in seinem Haus in Beverly Hills an akutem Lungenversagen starb. Der Kommentar von US-Re- gisseur Peter Bogdanovich: „Die Tatsache, dass Dean Martin an Weihnachten gestorben ist, hätte auch so ein abgründiger Scherz sein können, wie man sie von ihm kannte.“ Seine Fangemeinde ehrt ihn daher besonders zu Weih- nachten. Denn die Zeilen „Let It Snow! Let It Snow! Let It Snow!“ aus seinem Mund, aus dem Mund dieses smarten „Crooners“, wäre Weihnachten für sie nur halb so schön. ohne In einfacher A(A)BA-Form wird der Song einmal komplett vorge- 10