Fachberichte Renold Quade crescendo … aus den Notenschrank „O Come, holy Night!“ von Stephen Melillo · IGNA in October 1993 komm, Oh heilige Nacht!“ Diese ganz einfache, wörtliche Übersetzung trifft den Kern der Botschaft dieses Werkes wohl wirklich nicht schlecht. Die Musik beschreibt musikalisch das „Her- beisehnen“ dieser gar so beson- deren Nacht. Sie vermittelt ein sehr emotionales, gleichsam be- rührendes, wie aber auch aufwüh- lendes Stimmungsbild. Unter Ver- wendung der Motivik von interna- tional bekannten Weihnachtslie- dern wie „Hark The Herald Sing“ (Hört der Engel große Freud), „Adeste Fideles“ (Herbei, o ihr Gläubigen) und „Silent Night“ (Stille Nacht) entsteht etwas sehr Eigenes, sicherlich ein stückweit ab, aber auch nicht gar zu weit weg, von herkömmlichen Klang- erfahrungen. Der Komponist Stephen Leonard Melillo, geboren am 23.12.1957 in Port Chester, etwa 50 km entfernt von New York City. Seine Werke zieren stets das Datum ihrer Fertigstellung und die Bemerkung, dass sie zur Ehre Gottes, IGNA (In Gods Name Always), geschrieben sind. Sei- nem umfangreichen Schaffen für großes Blasorchester verleiht er aus Überzeugung den Überbegriff „stormworks“. Seine „Stürme“ er- zählen häufig von Leid, Dunkel- heit, Bedrohung und wollen dabei aber gleichzeitig immer das Be- dürfnis nach Erlösung, Licht, Frei- heit und Frieden ausdrücken. Das Publikum soll Melillos Werke nicht nur hören, sondern auch, im wahrsten Sinne des Wortes, „er- leben“. Die Aussagen seiner sehr persönlichen, durchaus eigenwil- ligen und in dieser Ausprägung wohl mit Alleinstellungsmerkmal versehenen Musikerphilosophie, lassen sich nicht auf bestimmte politische oder religiöse Richtun- gen reduzieren. Er ist schlicht und ergreifend „engagiert“ und „auf- gewühlt“ und schreibt auf seiner homepage u.a.: „Great music re- creates the past, explores the ever present, and plots the human ad- venture soon to unfold.“ - „Große Musik schafft die Vergangenheit neu, erkundet das ewig Gegen- wärtige und bewirkt, dass sich bald neue Abenteuer für die Menschheit entfalten.“ Geprägt hat ihn zudem eine in- tensive Beschäftigung mit Mathe- matik, Naturwissenschaften und Pädagogik. Ihn bewegen schon immer mehr als lediglich die all- gemeinen Spielregeln der Musik. Er war zu Beginn seiner Karriere als Jazztrompeter unterwegs, er beschäftigte sich mit Sphärenhar- monien, adaptiert aus barocken Theorien, experimentierte mit ganzzahligen Proportionen in der Bewegung von Planeten oder be- schäftigte sich auch „nur“ mit den klanglichen Eigenschaften einer schwingenden Saite oder Luftsäu- le. Er bezieht viele Phänomene mit ein in den Bauplan seiner Kompositionen. Dabei spielen auch Angaben zur Sitzordnung eine Rolle. Ihm sehr wichtige Empfehlungen zur Optimierung des Orchesterklangs, wie z. B. der bewusste Einsatz von Kontrabass- instrumenten, im einfachsten Fall elektronisch mit PAD Bass, sind mehr als nur Hinweise. Sie dienen in seinem Sinne als Fundament und Grundlage für ein reicheres Obertonspektrum. Er scheut sich zudem nicht klare Spielanweisun- gen zu formulieren, die wichtige Interpretationshilfen sind, um sei- nen durchdachten Ideen für ein zeitgenössisches Blasorchester zur idealen Wirkung zu verhelfen. Und? Alles verstanden? Alles klar? Ich denke, es sind zunächst einmal genug Eindrücke und Fra- gen aufgeworfen, um sich viel- leicht etwas intensiver mit diesem musikalischen Charakterkopf be- schäftigen zu wollen. Die Schub- lade, in die man Stephen Melillo hineinpacken könnte, sofern das überhaupt geht, die ist schon an- ders als andere – und somit ei- gentlich nur seine eigene. Wer Melillos Gedanken gerne noch et- was detaillierter nachspüren möchte, der kann auf seiner Homepage in der „stormworld“ stöbern, oder einfach seine Musik hören, sorry, viel mehr „miterle- ben“. Die Idee Kinder und auch Erwachsene seh- nen sie herbei, die „Heilige Nacht” und jeder freut sich auf seine eigene Art und Weise auf diesem Abend und an diesem Abend. Herrscht nicht eine unge- heuer positive Spannung am „Hei- ligen Abend“ in einem jeden von uns? Einen sehr persönlichen Ein- blick in die Gefühle, die Stephen Melillo in dieser Zeit beschlei- chen, gibt er uns mit seiner Mu- sik. Hier zudem auch noch mit ei- ner Erklärung: „Meine ersten Töne auf der Trompete spielte in der kleinen Kapelle der Corpus Christi Kirche in Port Chester im Bundesstaat New York. Unsere Weihnachtskonzerte musizierten wir in unseren Schuluniformen und es war immer etwas Beson- deres für uns. Nach diesem magi- schen Konzertabend verließen wir die Kirche, schauten in den Him- mel und fühlten, dass die ersten Schneeocken des Winters bald unsere Wangen küssen würden. Oft fanden diese Konzerte an mei- nem Geburtstag statt, dem 23. De- zember. Schwer mit Worten zu be- schreiben, mein spezielles und persönliches Gefühl bei diesen Weihnachtskonzerten. Aber in der Mitte von Aufregung, Spektakel, großer Festlichkeit, gutem Willen und dem Gefühl des Triumphs - da war immer „Stille Nacht, heilige Nacht“. Aufbau Aus dem Nichts eröffnen PAD Bass, Becken und Windchimes mit einer liegenden, anschwellenden Klangfläche. Zu dieser addieren sich helle Holzbläser in ruhiger Bewegung. In der Ferne Glocken und verbindende Harfenarpeg- gien. Das Blech übernimmt im gleichen Stil und mündet in einen orientalisch anmutenden Holzblä- serklang, den der Hornsatz dann 12 i y a b a x p o t o F :